Woher kommt diese Angst und wie können wir sie besiegen?

Die Angst, etwas zu verpassen ist ur-menschlich und völlig normal. Die Kompetenz, damit umzugehen, ist dabei so wichtig wie noch nie. Wenn wir uns diese nicht aneignen, droht die Fremdbestimmung und wir brennen aus.

Es heißt, Fomo sei die erste „Social Media Krankheit“. Doch ein Glück es gibt schon eine Gegenbewegung: Jomo (Joy Of Missing Out) also die Freude, etwas zu verpassen, sie zu erlernen führt uns (zurück) in die Selbstbestimmung.

Entdeckt wurde das Phänomen Fomo wie so Vieles im Silicon Valley, und das schon vor einigen Jahren. 2013 schaffte es der Begriff in den Oxford Dictionary. Die Definition lautet: “Die Angst, dass derzeit ein spannendes oder interessantes Ereignis an anderer Stelle stattfinden kann, oft geweckt von Beiträgen in den Social Medien“.

Die Gefahr von Fomo lauert überall. Natürlich im Job, im Hinblick auf den Markt die Mitbewerber, Kunden und Kollegen, aber auch in den Familien, im Freundeskreis, in den Schulen und leider sogar schon in den Kindergärten.

Wie verhält sich jemand, der „Fomo“ hat?

Always on, kaum eine Minute ohne Smartphone, auch in Gesprächen, in Terminen, in jeder Form von Wartesituationen, während des Gehens… Unser Gehirn springt deshalb so stark auf FOMO an, da das Naturell unseres Geistes genau diese Eigenschaften aufzeigt. Ein ungeschulter Geist ist permanent aktiv, springt hin und her und langweilt sich schnell. Er führt uns an der Nase herum. Schon vor tausenden von Jahren haben die Yogis und die Mönche nach Antworten gesucht und Werkzeuge entwickelt, um den stress verursachenden Gedankenmustern entgegenwirken. Interessant, denn damals gab es keine News, keine Technik, keine Medien. Dennoch hatten die Menschen bereits Stress.

Der ewig geschwätzige Geist ist nicht nur ein Phänomen der Neuzeit, jedoch stößt er in seiner Multitasking Veranlagung genau auf den Nerv der heutigen Zeit. Damit verstärkt sich diese Veranlagung entsprechend.

Zudem werden mit Fomo vier von unseren acht Grundmotiven vermeintlich bedroht.

  1. Das Anschlussmotiv und die dahinterstehende Angst, aus der Herde ausgeschlossen zu werden. (Verlustangst)
  2. Das Motiv der Anerkennung, welche wir oft zu befriedigen versuchen, indem wir Erwartungen erfüllen, also mitreden, schnell reagieren, Einladungen, Optionen und Angebote wahrnehmen. (Angst vor Ablehnung)
  3. Das Sicherheitsmotiv: Das uns alle innewohnende Bedürfnis nach Sicherheit wird vermeintlich befriedet, indem wir möglichst viele Eisen im Feuer haben. (Angst vor Schaden)
  4. Das Motiv der Kontrolle: Wenn ich überall ein bisschen beteiligt bin, meinen wir den Überblick und damit die Kontrolle zu haben. (Angst vor Kontrollverlust)

Hinter Fomo stehen also Ängste. Anstatt sie zu ignorieren und uns mit der Informationsflut abzulenken, oder gar zu betäuben, wäre es sinnvoller, sich diesen zu stellen, um sie dann aufzulösen.

mobile addiction fomo
this is what happens in an internet minute
Das passiert in einer Minute im Internet.

Die viele Freiheit die das Smartphone mit sich bringt, birgt leider auch die Gefahr von Überladung, Informationsflut, erhöhter Geschwindigkeit. So wird aus dem Segen sich entscheiden zu dürfen der Fluch, sich entscheiden zu müssen.

Das Internet ist immer da, immer wach, immer verfügbar, immer aktiv. Jede Minute werden 16 Millionen Textnachrichten verschickt, über 450.000 Tweets abgesetzt und mehr als 46.000 Posts bei Instagram hochgeladen. Es ist niemals Schluss, niemals Feierabend. News werden kontinuierlich produziert. Etwas verrückt ist das schon, denn im Grunde entwickeln wir Apps, Computer, Software und Roboter um unser Leben zu vereinfachen.

Darum ist die Kompetenz, das Karussell in unserem Kopf anzuhalten, so wichtig wie vermutlich noch nie in der Menschheitsgeschichte. Wir brauchen Wege und Werkzeuge, um wieder in Kontakt mit unserem Bauchgefühl, unserer Intuition, unseren Bedürfnissen zu kommen. Nur so erfahren wir Sinn in unserem Handeln und können ein selbstbestimmtes Leben führen.

Der Begriff Selbstbestimmung bringt mich zu der Gegenbewegung: Jomo

Fomo_reminderMehr Freude für das Selbst

JOMO bedeutet: Joy Of Missing Out. Es gibt also nichts Schöneres, als einfach mal NICHT dabei zu sei. Füße hochlegen und „Nichts“ tun. Das mag sich nach Verzicht anfühlen. Ist es auch, per Definition: Ent-Scheidung, das kann auch Befreiung sein.

Wie gelingt Jomo?

Wir haben also die Bereitschaft, uns unseren Ängsten zu stellen. Ja wir haben sie und sie gelten für alle, die sich von FOMO fremdbestimmen lassen.

Vorausgesetzt, wir nehmen uns die Ruhe, hören uns selber zu und stellen uns immer wieder die Frage: Was ist mir wirklich wichtig und warum tue ich, was ich tue?

Wenn wir ein bisheriges Verhalten stoppen möchten, dann dürfen wir unseren Frontallappen  – einen Teil in unserem Gehirn – neu programmieren.

Er wird also, wenn von uns nachhaltig beauftragt und geschult, immer dann das STOP-Schild heben, wenn wir dazu verleitet sind in ein Muster zu laufen, das wir auflösen möchten. Ist der Autopilot erstmal erkannt und gestoppt, gilt es jetzt, das neue Verhalten zu installieren. Das Verhalten Ihrer Wahl.

Dazu ein paar Anregungen:

# Lernen Sie, den hungrigen Geist zu beruhigen

Telefon ausschalten, Laptop schließen, jede Form von Informationsflut stoppen, auch der analoge Input. Denn unter der Überladung schlummert die Selbstbestimmung. Mit zunehmender Praxis wird es leichter, denn Dank der Neuroplastizität verändert sich unser Gehirn stetig und wird Sie schon bald unterstützen.

# Lassen Sie sich nicht blenden

Nicht alles, was wir in den (sozialen) Medien lesen, ist so, wie es sich liest. Wie oft lassen wir uns von dem Schein verführen. Wie oft stellen sich Dinge und leider auch Menschen in voller Strahlkraft dar, dabei gehen sie im Grunde durch die Krise ihres Lebens.

# Atmen Sie! Um das eigene Bewusstsein und die Wahrnehmung zu schärfen

Ein paar tiefe Atemzüge ermöglichen ein logisches und analytisches Arbeiten der Großhirnrinde. Hier liegen viele Informationen über unser Wertesystem. Wenn wir im Stress sind, wird dieser Zugriff verwehrt. Irrationales Handeln ist dann die Folge.

# Lernen Sie zu meditieren

Das sind die Hängematten für den Geist. In diesen Oasen ordnen sich Dinge neu, werden Prioritäten wertgerecht verschoben und unsere innere Festplatte defragmentiert.

Und das Wichtigste wie immer zum Schluss. Bleiben Sie bei sich! Hier gibt es am meisten zu erleben und zu entdecken. Verpassen Sie mehr, um mehr zu erleben!

Viel Freude mit JOMO und mit sich selber.

Erschienen in der Wirtschaftswoche am 07. Juli 2017

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